Betti Paoli                              Bekenntnis

(Elisabeth Glück)

 

I.

 

Mag höhnend auch die Welt darüber richten,

Mein tiefstes Wünschen will ich nicht verhehlen:

Hätt’ ich vom Schicksal eine Gunst zu wählen,

Ich wählte mir den Ruhm, den sonnenlichten!

 

O selig Loos, schon hier in Staubesschichten

Dem Glanz der Ewigkeit sich zu vermählen,

Zu jenen Ueberwindern mit zu zählen,

Die, götterstark, des Todes Bann vernichten!

 

Zu wissen, daß die tiefe Schmerzensklage,

Die Freudenhymnen, welche uns enthallen,

En köstlich Erbtheil für die spätsten Tage!

 

Daß unser Name wird auf erden wallen,

Wenn auch schon längst im stillen Sarkophage

Des glüh’nden Herzens Aschenrest zerfallen!

 

 

II.

 

Doch eh’ ich, um den Kranz mir zu erstreben

Und heimzukehren mit dem goldnen Vließe,

Von meinem Selbst herunterdingen ließe

Und Lüge brächte in mein inn’res Leben...

 

Eh’ ich die Stimme, die mir Gott gegeben,

Zu fremden Weisen sich bequemen hieße,

Kehrt’ ich den Rücken jenem Paradiese

Und sähe stolz den Beifall mir entschweben.

 

Eh’ wollt’ ich einsam in der Wüste singen,

Eh’ ließ ich träumend meines Liedes Laute

Von allen Menschen ungehört verklingen!

 

Das einz’ge Ziel, nach dem mein Auge schaute,

Es wäre: unentweiht zurüchzubringen

Das heil’ge Pfand, das Gott mir anvertraute!

 

 

 

 

Betti Paoli                              Geistige Knechtschaft

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

Als heilig ist des Dichters Schmerz zu ehren,
Wenn bang er schmachtet nach der Wahrheit Strahle,
Wenn er verwaist sich fühlt im Erdenthale,
Und nach der Heimat Glück verlangt mit Zähren.
 
Allein bei euch, die jammernd sich beschweren,
Daß sie entbehrend steh'n am Lebensmale,
Daß keine Anerkennung sie bezahle,
Kann ich mich tiefen Ekels nicht verwehren.
 
Hinweg mit euch von der geweihten Stätte,
Die nach Genuß ihr dürstet und nach Lohne,
Als ob die Welt ihn euch zu spenden hätte!
 
Als Knechte lebt ihr in gemeiner Frone,
Des Geistes Gold, ihr schmiedet es zur Kette,
Statt draus zu formen eine Siegeskrone!

 

 

Betti Paoli                              Widmung.

(Elisabeth Glück)

1815 - 1894                                         An Ida.

 

Daß ich, als jeder Trost mir fern gelegen,
Und meiner Hand der Hoffnung Stab entwunden,
Inmitten all der Larven dich gefunden,
Ich nenn' es meines Lebens höchsten Segen!

 

Jetzt wandeln wir schon lang auf gleichen Wegen,
Die heitern theilend und die trüben Stunden,
Und schreiten, fester, inn'ger stets verbunden,
Dem letzten, nachtverhüllten Ziel entgegen.

 

Vor dir, so hoff' ich, werd' ich es erreichen!
Vor dir, wird des Befreiers milde Hand
Mich aus dem Buche der Lebend' gen streichen!

 

Und, wenn im Grab ich deinem Blick entschwand,
Dann sei dir dieses Buch ein Liebeszeichen,
Ein stiller Gruß aus fernem Geisterland!

 

 

 

Betti Paoli                              Quietiv.

(Elisabeth Glück)

1815 - 1894                                         Ein Mittel weiß ich, mich zur Ruh' zu bringen,
Wenn grimme Sorgen mir am Herzen nagen,
Ein lang gehegter Wunsch mir fehlgeschlagen,
Und lauernde Gefahren mich umringen.

 

Zur Fassung mich dann wieder aufzuschwingen,
Brauch' ich nur dieses Eine mir zu sagen:
»Und wenn du sie zu Grabe müßtest tragen?«
Das lehrt mich jedes andre Leid bezwingen!

 

Was sonst mir droht, für Spiel nur kann ich's halten,
Vergleich ich es mit jenem Todesstreiche,
Deß Ahnung schon genügt mein Herz zu spalten!

 

O jedem Sturme will ich steh'n als Eiche,
Im Froste selber Blüth' um Blüth' entfalten,
So lange du mir bleibst, du Sondergleiche!

 

 

 

 

Betti Paoli                              An Jan Matejko.

(Elisabeth Glück)

1815 - 1894

Dem Vaterland hast du die Kraft geweiht,
Von der im tiefsten Wesen du durchdrungen,
Und Farb' und Form sind dir nur Flammenzungen,
Zu künden deiner Heimat Ruhm und Leid!

 

Du zeigst uns ihre alte Herrlichkeit,
Den Lorbeer, der einst ihre Stirn umschlungen,
Und wieder dann, wie nieder sie gerungen,
Der eig'nen Sohne fluchbelad'ner Streit.

 

Dich locken keine andern Siegeskronen!
Nur an der Stätte, wo sie aufgebahret,
Willst du als Hüther ihres Grabes wohnen.

 

Ich aber segne dich, du starkes Herz!
Das selbst dem Tode Treue noch bewahret,
Und dessen Muse ein erhab'ner Schmerz!         

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              An Heinrich Anschütz

(Elisabeth Glück)                                 zu seinem achtzigsten Geburtstage,

1815 – 1894                                        1865.

 

Des innern Frühlings zaubervolle Blüthe,
Der Frost des Alters macht sie nicht erbleichen!
Deß bist du selbst ein hochbegnadigt Zeichen,
Du Greis an Jahren, Jüngling im Gemüthe!

 

Als die Natur dich schuf, in ihrer Güte
Ausstattend dich mit Gaben sonder Gleichen,
Da mochte bange Sorge sie beschleichen,
Wie sie ihr herrliches Gebild behüte.

 

Und also sprach sie, zu der Zeit gekehrt:
Nicht rühre an dieß Haupt mit deinen Schwingen,
Laß mir mein edles Kunstwerk unversehrt!

 

Wie hier der Gaben Fülle zu durchdringen,
Daß eine stets der andern Glanz vermehrt,
Es wird mir nicht zum zweitenmal gelingen.

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Die besten Stunden.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

Das waren meines Lebens beste Stunden,

In denen ich von Gram und Leid genesen?

Die stillen, unscheinbaren sind's gewesen,

Die bei getreuer Arbeit mich gefunden!

 

Und jene, reicher noch an Himmelskunden,

Wann ich ein hilflos und verlass'nes Wesen,

Das sich der Schmerz zum Opfer auserlesen,

So gut ich's konnte, seiner Macht entwunden!

 

D'rum sei fortan mein ganzes Sinnen, Streben,

In diesem Schacht wahrhaft'gen Glücks zu schürfen,

Von diesem reinsten Freudenquell zu schlürfen!

 

Vor keiner Zukunft brauch' ich dann zu beben,

Denn Arbeit wird's auf Erden immer geben,

Und immer Herzen, welche Trost bedürfen!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Die Historiker.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

Die Einen rühmen uns die Herrlichkeiten

Des Mittelalters mit verschwomm'nem Blick;

Sie bieten uns die Hand, um uns zurück

In seine traute Dämmerung zu leiten.

 

Daß thöricht sie, wer möchte es bestreiten?

Den alten Moder preisend, Stück für Stück,

Vergessen sie, daß es der Welt Geschick

In rastloser Entwicklung fortzuschreiten.

 

Doch thöricht dünkt mich's auch, des Zornes Strahl

Post festum noch auf jene Zeit zu schnellen,

Weil sie human nicht war, noch liberal!

 

Sie war, wozu sie die Natur gemacht,

Die auch dem gold'nen Tag, dem sonnig hellen,

Voranschickt eine lange, finstre Nacht.

 

 

 

 

Betti Paoli                              In Nürnberg.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

Ehrwürd'ge Stadt! wie herrlich offenbart

Im Reiz, der unvergänglich dich umlichtet,

In jedem Denkmal, das du aufgerichtet,

Das deutsche Wesen sich, die deutsche Art!

 

Der kluge Sinn, der sich der Gegenwart

Zu schuldigem Tribut und Dienst verpflichtet

Der Fleiß, der rastlos schafft und strenge sichtet,

Mit kühnstem Schwung der Phantasie gepaart!

 

Die Kunst, die anderwärts das Machtgeheiß

Der Fürsten nur verpflanzt aus fremden Landen,

Im eig'nen Grund trieb sie hier Reis um Reis!

 

Was Andere nur in weiter Ferne fanden,

Ist zu des deutschen Namens Ruhm und Preis,

Hier aus des Volkes hohem Sinn erstanden.

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Den Zukunftschwärmern.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

Ein neues Leben, meint ihr, wird beginnen,

Wenn vor dem Licht, das eifrig ihr entfachtet,

Der Wahn, von dem die Welt jetzt noch umnachtet,

Wie Nebel vor der Sonne wird zerrinnen?

 

"Weht einst der Freiheit Banner von den Zinnen,

"Wird Jeder einst dem Andern gleich geachtet,

"Dann flieht der Schmerz, in dem die Menschheit schmachtet,

"Flieht alle Qual und alle Noth von hinnen."

 

Vermeßt euch nicht zu viel! Ob, muthgeschwellt,

Im Kampfe wider Pfaffen und Tyrannen,

Ihr einst die letzte ihrer Burgen fällt:

 

Der Schmerz, er flieht darum doch nicht von dannen,

Es wäre denn ihr könntet aus der Welt

Der Leidenschaft Dämonen auch verbannen.

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Verblendung.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

Wer liebt noch Poesie in unsern Tagen?

Wer läßt sich noch von ihrer Macht bezwingen?

Doch, mag sein Wort auch ungehört verklingen,

Der Dichter hat nicht Grund, darob zu zagen!

 

Wenn er der Seele Jubel, ihre Klagen,

Gen Himmel sendet auf des Liedes Schwingen,

Fühlt er der Gottheit Hauch sein Herz durchdringen,

Und seinen Lohn hat er davongetragen.

 

Mein ganzes Mitleid gilt nur dem Geschlechte,

An dem verloren sind des Dichters Spenden,

Und dem der Stern erlosch der ird'schen Nächte!

 

Das, um sich nicht'gem Tande zuzuwenden,

Die heil'ge Quelle, die ihm Labung brächte,

Thöricht verschüttet mit den eig'nen Händen!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Gebotene Strenge.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

Mild sei dein Spruch und Urtheil, wenn es gilt,

Das Thun und Lassen Anderer zu richten,

Denn frei ist unser Wille, ach! mit nichten,

Wenn grimm empor die Fluth des Lebens schwillt.

 

Doch giebt's ein seiner Macht entrückt Gefild,

Ein sel'ges, wo kein Widerstreit der Pflichten,

Kein Zwiespalt zwischen Herz und Welt zu schlichten,

Und hier sei nur gerecht, nicht länger mild!

 

Es ist die Kunst. Wer sie nach Würden ehrt,

Der Nachsicht wird und muß er sich entschlagen,

Sieht er ihr heiliges Gesetz versehrt.

 

Und will sich das Gemeine an sie wagen,

Dann ziemt es ihm, mit seines Zornes Schwert

Die Schächer aus dem Tempel zu verjagen.

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              An einem Sarge.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

Unsel'ger du! der Dichter sich genannt,

Ohn' daß die heil'ge Flamme ihn durchdrungen!

Für einen Traum, der trugvoll dich bezwungen

Hast du dich von der Wirklichkeit gewandt!

 

Das Irrlicht, dem du hoffend nachgerannt,

Zum Abgrund führte es, der dich verschlungen!

Umsonst hast du gelebt, umsonst gesungen!

Vom Loos des Dichters nur den Schmerz gekannt.

 

Sieh! jenen Kranz nach dem du Jahr' um Jahre

So heiß gekämpft auf dornenvoller Bahn,

Das Mitleid legt ihn jetzt auf deine Bahre!

 

Fern sei's von mir, daß ich die Spende rüge!

Doch, wie dein Streben nur ein eitler Wahn,

So folgt dir nun in's Grab auch eine Lüge

 

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Bescheid.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

"Was einst so heiß, so stürmisch mich durchbebt,

"Die Wonnen, die mich himmelan getragen,

"Das Weh, das glüh'nde Wunden mir geschlagen,

"Wie ferne sind sie meinem Geist entschwebt!"

 

"Und waren's Träume nur, die mich umwebt,

"Dann hab' ich wohl ein bitt'res Recht zu fragen:

"Wenn mir von meines Lebens Lust und Klagen

"Nichts bleiben soll, wozu hab' ich gelebt?!" –

 

Das fragst du noch? So wisse denn! das Walten

Von Glück und Leid hat nur den Zweck, den einen,

Des Menschen tiefste Kräfte zu entfalten.

 

Mag dir auch der entschwund'nen Tage Saat

Verloren, ohn' Ertrag und Ernte scheinen:

Du selbst bist deines Lebens Resultat!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Die Pflicht.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

An einem Ideale halte fest,

Wenn abgewelkt der andern Blüthenranken!

Es ist die Pflicht, die, selber ohne Wanken,

Den, der ihr treu bleibt, nimmer sinken läßt.

 

Sie ist, gleich dem Gewande von Asbest,

Ein sich'rer Schutz, wenn Flammen dich umschwanken,

Beschwicht'gend Oel im Sturme der Gedanken,

Sie ist die Freiheit, - Sklaverei der Rest! –

 

O reiche Keinem deine Hand zum Bunde

Der nicht in ihr, die ewig wahr und ächt,

Das Höchste ehrt aus diesem Erdenrunde!

 

Wie jedes and're, so der Freundschaft Recht,

Verleugnen wird's in der Versuchung Stunde

Des flücht'gen Eindrucks willenloser Knecht.

 

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Grenze.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Gelang dir's, einen Freund dir zu erringen,

Dann dulde nicht, daß eine Welt euch scheide!

Ob blutig es in deine Seele schneide,

Der Freundschaft sollst du jedes Opfer bringen!

 

Zu einem nur darf nimmer sie dich zwingen:

Zum Bruche der dir selbst geschwor'nen Eide.

Von keiner Liebe lass' und keinem Leide

Ein Theilchen deines Ichs herunterdingen!

 

Ein heilig Pfand ward es dir übergeben.

Vor jedem Eingriff mußt du es beschützen,

Es höher halten als dein Glück, dein Leben!

 

Weh dir, wenn du in ihm ein Fremdes duldest!

Ja selbst dem Freunde kannst du nicht mehr nützen,

Brichst du die Treu', die du dir selber schuldest!

 

 

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Treue.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Was macht so edel und so schön die Treue,

Womit ein standhaft Herz die Welt bezwingt?

Der dunkle Zug ist's, welcher es bedingt,

Daß gern am Wechsel sich der Mensch erfreue,

 

Uns Alle lockt verführerisch das Neue.

Nur Wen'ge giebt es, denen es gelingt,

Vom Reiz, der schmeichelnd ihren Sinn umschlingt,

Sich abzuwenden, ernst, mit frommer Scheue.

 

D'rum zürne nicht, und lerne es vergessen,

Wenn dir ein schwach Gemüth die Treue bricht!

Wer hieß dich, es nach höchstem Maße messen?

 

Doch fand'st du ein's vom echten Mark und Stamme,

Dann neige dich vor seinem reinen Licht,

Still, wie der Parse vor der heil'gen Flamme!

 

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Bruch der Freundschaft.

(Elisabeth Glück)                          Nessun maggior dolore.

1815 – 1894

Ob auch nur schwer, doch läßt es sich verwinden,

Wenn Liebe ihren flücht'gen Schwur uns bricht.

Wie sollten mit dem Lebensfrühling nicht

Auch seine Düfte und sein Glanz verschwinden?

 

Ich weiß ein bänger, schmerzlicher Empfinden:

Der Freundschaft, die einst uns'rer Seele Licht,

Zu starren in das todte Angesicht,

Und wieder einsam sich im All zu finden.

 

Was sonst dein Herz an Freuden auch verlor,

Verglichen mit so ungeheuerm Wehe,

Schnellt jedes andern Schale hoch empor!

 

Dort ward doch nur Vergängliches zerschlagen;

Hier starb ein Göttliches, und schaudernd sehe

Ich die Vernichtung sich an Ew'ges wagen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              An Ivan Turgenieff.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        In Ehrfurcht lass' mich diesen Gruß dir senden,

Du großer Meister, dem die Macht gegeben,

Den wirr verschlung'nen Knoten, Menschenleben,

Zu lösen mit den sichern, weisen Händen!

 

Des Zufalls Mißgunst nicht, noch seine Spenden,

Nein! nur der angebor'nen Kräfte Weben,

Des eignen Willens unbezwinglich Streben,

Sind unser Schicksal! Keiner kann es wenden.

 

Das ist der Bann, von dem wir festgehalten,

Die Haft, der nun und nimmer wir entrinnen,

Was wir versuchen mögen und beginnen!

 

Du aber bist der Dolmetsch der Gewalten,

Die in dem dunkeln Menschenherzen schalten,

Und, parzengleich, den Schicksalsfaden spinnen!

 

 

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Die unbekannten Freunde.

(Elisabeth Glück)                          An Fürstin Caroline Wittgenstein.

1815 – 1894

Der Dichter wandelt einsam durch das Leben!

So ist es und so war's zu allen Zeiten.

Entsagung nur darf ihm zur Seite schreiten,

Wenn holde Bande sich um And're weben!

 

Doch ein Ersatz ist ihm dafür gegeben:

Daß Herzen ihm, in unbekannten Weiten,

Entgegen schlagen und wie Harfensaiten

Vom Hauche seiner Lieder sanft erbeben.

 

Und wurden solche Freunde dir zu Theil,

Betrachte sie als höchste Schicksalsspenden,

Die für kein flücht'ges Gut der Erde feil!

 

Zweifach gesegnet ist, der sie gewann!

Denn in dem stillen Gruß, den sie ihm senden,

Fängt auch bereits die Nachwelt für ihn an!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Unsere Zeit.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Die Schaar der Frommen hör' ich seufzen, klagen,

Daß von dem Sturm, der jetzt die Welt erschüttert,

In Schutt und Trümmer Christi Reich zersplittert,

Mit allem Segen, den es je getragen.

 

Mir aber scheint es höher nur zu ragen,

Seit es, von Dogmen länger nicht umgittert,

Als Stral der Liebe durch die Seelen zittert,

Wie nie zuvor in den vergang'nen Tagen.

 

Sagt an! wann griff das fremde Leid so hart,

So drängend an die Herzen der Beglückten,

Wie in der vielgeschmähten Gegenwart?

 

Im ächten Sinne christlich ist die Zeit,

Die ihre Kraft dem Schutz der Unterdrückten,

Dem Dienst der Armen und Verlass'nen weiht!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              An die Natur.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Es pfleget die gedankenlose Gilde,

Zum Jubel stets bereit wie zum Verzagen,

Jetzt kalter Grausamkeit dich anzuklagen,

Und wieder dann zu preisen deine Milde.

 

Sie messen dich nach ihrem eig'nen Bilde,

Und können sich des Wahnes nicht entschlagen,

Daß Lieb' und Haß, wie sie im Herzen tragen,

Bald segne, bald verwüste ihr Gefilde.

 

O Thorheit, Strenge, Huld dir anzudichten!

Du kennst nur der Notwendigkeit Gesetz,

Und bleibst ihm treu beim Schaffen und Vernichten.

 

Ob Heil, ob Fluch in deines Mantels Falten

Sich berge, Ewige! mir bist du stets,

Was einst das Fatum war den frommen Alten.